Amerika im Kampf mit sich selbst

Einschätzungen zum Verlauf des US-Amerikanischen Wahlkampfs

von Mathis Hegewisch

 

 

Aller Voraussicht nach wird Hillary Clinton die erste Frau sein, die in den USA als Präsidentschaftskan-didatin aufgestellt wird. Oiziell bekannt gegeben wird dies aber erst beim Parteitag der Demo-kratischen Partei im Juli. Die am-tierende Außenministerin würde dann gegen Donald Trump, den politischen Outsider ins Rennen gehen.

 

Der eigentliche Wahlkampf, der nun beginnt, verspricht eine Schlammschlacht zu werden. Bei-de Kandidierenden haben genug Munition für einen aggressiven Wahlkampf und beide vereint ein enormes Imageproblem, wenn man auf ihre jeweiligen Zustim-mungsraten schaut. Donald Trump, so scheint es, beweist mit jeder Aussage, sei es auf Twitter, in Pressekonferenzen oder „De-batten“, wie erfolgreich Rassismus und Bigotterie heutzutage noch sein können. Aber auch Hillary Clinton steht vor enormen Her-ausforderungen. So ist es durch-aus möglich, dass sie während des Wahlkampfs vom FBI angeklagt wird. Der Gebrauch ihres privaten

 

Email-Accounts zum Austausch sensibler Daten gefährdete die nationale Sicherheit. Es stellt sich für den amerikanischen Wähler nun etwas zugespitzt die Frage, welcher der beiden Charaktere Zugang zum weltweit zweitgröß-ten atomaren Arsenal haben soll. Entweder wird es ein erratischer pathologischer Lügner, der unzäh-lige Male gezeigt hat, dass er die Komplexität der aktuellen Weltla-ge nicht versteht, geschweige denn jemals den Versuch unternommen hat, sie zu verstehen oder ob es eine Außenministerin wird, die in ihrer langen Karriere als Politike-rin bereits jetzt einige fragwürdige Entscheidungen zu verantworten hat, wie beispielsweise ihre Zu-stimmung für den Einmarsch in den Irak 2003.

 

Den (amerikanischen) Wähler in-teressieren mittlerweile jedoch nicht mehr konkrete Sachfragen. Inhalte stehen an zweiter Stelle. Die Persönlichkeit und Identität des Kandidaten ist viel entschei-dender im amerikanischen System, das stark auf Identity Politics - also Politik für spezielle Zielgruppen - setzt. Genau dies ermöglichte erst den Aufstieg von systemkritischen Populisten, wie Donald Trump und Bernie Sanders, die beide als syste-munabhängig gelten. Sie ritten auf einer Welle des Misstrauens ge-genüber dem Establishment durch die Vorwahlen und mobilisierten dabei viele Nichtwähler*innen, die sich vom Zweiparteien-System nicht mehr repräsentiert fühlen und diesem nicht nur skeptisch, sondern auf wütend entgegenste-hen. Trumps Ruf, als skrupelloser und vermeintlich erfolgreicher Ge-schäftsmann, kommt ihm hier zu Gute. Für seine Wählerinnen und Wähler, die primär der unteren Mittelschicht angehören, symbo-lisiert er das Versprechen, dass auch ‚Sie‘ genauso erfolgreich sein können, wie er zu sein scheint.

 

Es sind aber nicht nur zwei Kandidaten, die hier gegeneinander antreten, sondern viel mehr zwei konkurrierende Versionen von Amerika. Der Bruch im ameri-kanischen Selbstbild liegt in der zunehmenden Transformation der amerikanischen Gesellschaft begründet, also der Entwicklung zu einer diverseren, nicht mehr christlich-weiß-dominierten Ge-sellschaft. Die republikanische Stammwählerschaft steht dieser Entwicklung skeptisch gegenüber, so wird sie mit einer Entmachtung

gleichgestellt.

 

Das heterogene Lager der Demokraten hingegen bleibt gelassener, so sieht es in die-ser Transformation die Möglich-keit für mehr Gleichheit und Tole-ranz. Diese innere Unruhe spiegelt sich auch in der Frage wider, wel-che Rolle die Vereinigten Staaten auf der Weltbühne einnehmen sollen. Sollen die USA weiterhin zusammen mit ihren Bündnispart-nern versuchen globale Probleme zu lösen oder wird es nach ermü-denden 15 Jahren Zeit den Blick nach innen zu richten und nationa-le Interessen stärker zu vertreten? Noch kann nicht gesagt werden, wer das Rennen um die Präsident-schaft machen wird. Entscheidend für den Ausgang der Wahl wird aber sein, ob Hillary Clinton es schafft, den Menschen, die sich vom System zurückgelassen füh-len, die Angst zu nehmen oder ob es Donald Trump möglich ist, seine emotionale Plattform auszubauen und mehr als nur weiße wütende Männer von sich zu überzeugen. Langfristig kann dieser Konflikt des amerikanischen Selbstbildes aber nur durch Dialog und nicht durch Überstimmung gelöst werden, denn die transformativen Kräfte lassen sich nicht umkehren.

 

Veranstaltungshinweis:
Sanders‘ Wahlkampfstratege beendet Vortragsreihe:
Abschluss der Reihe „battle for the white house“ mit einem Vortrag Bernie Sanders‘ Wahlkampfstrategen Chris Cooper über Erfolgsbedingungen populistischer Politik in den USA.
Donnerstag, den 23. Juni, ab 18 Uhr

Ort: Alte Mensa am Willi